Die Adventszeit ist eine Zeit der Hoffnung. Allein die
ganzen Weihnachtsfilme versprechen uns mit ihren Happy Ends, dass alles gut
werden wird. Daher habe ich eine Kurzgeschichte geschrieben, die genau diese
Hoffnung vermitteln soll. Viel Spaß beim Lesen😉
Der Zauber der Musik
Der Schnee rieselt leise vor sich hin, während Clara in ihrem gemütlichen Wohnzimmer vor dem Kamin sitzt und den Unterricht für morgen vorbereitet. Draußen beobachtet sie, wie Kinder begeistert in dem ersten Schnee des Jahres spielen, Schneeflocken mit ihren Zungen auffangen und die Eltern mit ihrer Euphorie anstecken. Wie gerne würde auch sie jetzt mit ihren Eltern und Geschwistern rausgehen und eine Runde Schlitten fahren, doch dazu müsste sie wissen, wo diese sind. Ein Seufzer entfährt Clara. Zehn Jahre ist es nun schon her, dass sie ihre Eltern auf der Flucht aus dem ehemaligen Nazi-Deutschland verloren hat und seitdem nichts mehr von ihnen oder ihren Geschwistern gehört hat. Zehn Jahre diese Ungewissheit, ob es ihrer Familie gut geht, ob sie überhaupt noch leben und wenn ja, wo. Doch trotz der Suche nach ihren Eltern und der elendigen Sehnsucht war Clara in diesen zehn Jahren gezwungen gewesen, sich ein Leben aufzubauen und zu schauen, wie es weitergeht. Mittlerweile ist sie Lehrerin an einer kleinen Dorfschule, in dem Dorf, das zu ihrer Heimat geworden ist. Sie liebt ihre, wie sie es nennt, Mission und allgemein die Arbeit mit Kindern, doch eben diese erinnern sie in schwachen Momenten an den Schmerz, der sich in ihrem Herzen verwurzelt hat.
Kopfschüttelnd wendet Clara den Blick vom Fenster ab und versucht sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch da das wegen ihres Gedankenkarussells nicht funktionieren will, beschließt sie, den ersten Schnee mit einem kleinen Spaziergang willkommen zu heißen.
Genussvoll hinterlässt Clara die ersten Fußabdrücke im Schnee, wobei sie das herrliche Knirschen unter ihren Schuhen förmlich in sich aufsaugt. Sie geht durch die Straßen, als sie plötzlich auf Musik aufmerksam wird. Sie versucht die Quelle ausfindig zu machen und landet schließlich vor der Dorfkirche, wo sich ein kleiner Chor versammelt hat und Weihnachtslieder singt. Clara ist völlig im Bann der Musik gefangen. Irgendwie kommt ihr diese Melodie sehr vertraut vor, aber sie weiß nicht woher. Ihr Herz schlägt vor Freude und vor Hoffnung, die sie im Advent besonders doll verspürt und dann doch jedes Jahr aufs Neue enttäuscht wird. Aber all das beachtet Clara in diesem Moment nicht; das Einzige, was für sie zählt, ist die Musik. So bemerkt sie auch gar nicht, wie eine der Sängerinnen auf sie zukommt, vor ihr stehen bleibt und sie ungläubig anschaut. Erst, als diese leise, in einer vertrauten Stimme anfängt, das Lied zu singen, was kurz zuvor solche heftigen Emotionen in Clara ausgelöst hatte, bemerkt Clara die Frau. Langsam keimt in Clara die Erinnerung an dieses Lied wieder auf. Sie hat es damals, als sie noch ein kleines Kind war, immer mit ihrer Mutter im Advent gesungen. Die Stimme der Frau erinnert sie genau genommen auch an ihre Mutter. Kann das sein oder ist das nur wieder diese blöde Hoffnung? Leise und vorsichtig stimmt Clara mit in den Gesang ein, während ihr wie der Frau gegenüber Tränen über die Wangen kullern. Clara kann es nicht fassen und fällt der Frau – ihrer Mutter?! – in die Arme. Ja, sie hat sich nicht geirrt und dieses Mal wurde ihre adventliche Hoffnung nicht enttäuscht, nein, ihr Herzenswunsch hat sich genau in diesem Moment erfüllt, als sie ihrer Mutter endlich wieder gegenüberstand
Ein Beitrag von Jana Poppe, Bezirksjugendvertretervertreterin in Niedersachsen West