Krippe 11-teilig
Meine Krippe ist moderne Kunst, wie man deutlich sehen kann. Und wie das bei solchen Werken so oft ist, kommt „Kunst“ hier nicht von „können“. Schlichte, einfach Bauklötzchen beschriften – in Arial-Fett – das kann doch nun wirklich jeder. Was soll das?
An dieser Krippe merke ich, wie stark mein Bild von Jesus von mir selbst beeinflusst ist. Das ist nichts Ungewöhnliches und auch nichts Schlimmes: Jedes Bild, das wir von einem Menschen haben, zeichnen wir ausgehend von unseren eigenen Erfahrungen. Mein Bild von Jesu Geburt ist ganz stark geprägt von Fernsehen, Populärkultur und den zu Krippenspielen harmonisierten Weihnachts-Evangelien aus meiner Kindheit. Ich bin kein unbeschriebenes Blatt, was Weihnachten betrifft. Ich habe eine feste Vorstellung davon, wie „die richtige Krippe“ auszusehen hat. „Krippe 11-teilig“ macht mir bewusst, dass ich beim Betrachten in meinem Kopf mein eigenes Bild von Maria, Josef und dem Jesus-Kind über die Bauklötze lege.
Dieses Bewusstsein, dass ich den Bauklötzen etwas überstülpe, damit sie zu meiner „richtigen“ Krippe werden, schärft meine Aufmerksamkeit, wenn ich in die Bibel schaue. Denn wenn ich Mt 1,18–2,23 und Lk 1,5–2,22 lese, werden in meinem Kopf die selben Prägungen aktiviert. Auch den sehr schlichten, einfachen Schilderungen der Heiligen Schrift stülpe ich geprägtes Bild über, wie eine „richtige Krippe“ auszusehen hat. Das ist nichts Ungewöhnliches und auch nichts Schlimmes, so lange mir das bewusst ist. Bleibt dieser Vorgang aber unreflektiert und unbewusst, verwechsle ich leicht mein eigenes Bild mit der Intention der Schrift. Ich trage mehr die Bibel ein, als dass ich aus ihr lerne.
Ein Beitrag von Diedrich Vorberg (Vikar in Bremen und Bremerhaven)