Vom Rätseln und Wundern
Irgendwann letztes Jahr in Lockdown zwei oder drei habe ich ein neues Hobby entdeckt: Exit-Games. Das Spielprinzip ist simpel: In der Spielbeschreibung wird eine Szene beschrieben, aus der man versuchen muss, auszubrechen (exit = raus). Ein abstürzendes Flugzeug, ein Keller, ein Labor, eine Pyramide… die Szenarien sind vielfältig. Das Ausbrechen gelingt, indem man im Spielplan versteckte Rätsel löst.
Mir macht das tierischen Spaß, auch wenn es meinen Blutdruck immer wieder in Wallungen bringt. Denn so richtig talentiert im Lösungen-Finden bin ich eigentlich nicht. Oft übersehe ich wichtige Spuren oder ziehe die falschen Schlüsse.
Dieses Jahr habe ich einen Exit-Adventskalender. 24 kleine Rätsel, die es ganz schön in sich haben, erfreuen mich auf dem Weg nach Weihnachten und strapazieren meinen Geduldsfaden. Manchmal braucht man einen langen Atem.
So einen langen Atem brauchts ja auch im Moment, wenn Pandemiewelle vier sich ihren Weg bahnt und unterschiedliche Positionen die Gesellschaft zu spalten drohen. Verzweiflung erfasst mich beim Blick auf die Klimakrise, die so dringend drastisches Handeln erfordert. Immer wieder bete ich: „Gott wo bist du? Du kannst doch Wunder wirken – wo bist du jetzt?“ und wünsche mir ein stärkeres Eingreifen Gottes und ein deutlicheres Beistehen in dieser Welt. Ich bete – und manchmal bleibt mir Gott in dieser Welt ein Rätsel.
Mein Adventskalender hat rein gar nichts mit der Weihnachtsbotschaft zu tun.
Aber er erinnert mich in aller Rätsel-Verzweiflung daran, dass das größte Wunder schon längst geschehen ist: Dass der allmächtige Gott nicht länger fern und rätselhaft ist, sondern dass er als Kind im Stall geboren wurde, dass wir ihn Vater nennen dürfen und er uns mit seinen ausgebreiteten Armen erwartet. Gott ist kein „Exit“, sondern ein „Intro“-Gott. „Ich bleibe bei euch alle Tage“ – das gilt besonders in sorgenvollen und unsicheren Zeiten.
Gut, dass ich 24 Türchen habe, um mich darauf vorzubereiten.
Und gut zu wissen, dass Gott durchaus im Vorborgenen und im Kleinen wirkt – erinnern wir uns nur an den Stall, das Kind, und die Provinzstadt Bethlehem… Gut zu wissen, dass er uns von allen Seiten umgibt und auf allen Pfaden begleitet – ganz egal, ob ich in meinem Leben die richtigen Teile kombiniere oder wichtige Spuren übersehe. Und ganz egal, was uns nachts wach hält: Christus verspricht, dass er es zu einem guten Ende führt.
Ein Beitrag von Jaira Hoffmann, Diakonin und Sozialarbeiterin in den Westerwaldgemeinden der SELK