Liebe Empfänger des Adventskalenders,
dieses Jahr habe ich zwar keinen eigenen Adventsrap geschrieben, möchte euch aber auf einen deutschen Rapper aufmerksam machen, der unglaublich gute Lieder über den Glauben geschrieben hat. Zwar lohnt sich eigentlich das ganze Album, aber ich habe mir mal eins herausgegriffen, das meines Erachtens gut zum Advent passt. Es heißt „Knie vor dem Herrn“. Doch warum knien? Und was hat das mit Advent zu tun?
Eine englische Schriftstellerin Dorothy Sayers wies einmal daraufhin, dass die Christen manchmal zu vergessen scheinen, was sie eigentlich Sonntag für Sonntag bekennen. Sie rattern das Credo, das Glaubensbekenntnis, nur so herunter und merken gar nicht, dass sie da über das Aufregendste sprechen, was je in der Geschichte der Menschheit passiert ist. Gott wird Mensch! Der Schöpfer des Universums, der allein Ewige vereinigt sich mit der Menschheit.
Als Krimiautorin war sie sich sicher:
„Ein ehrlicher Schriftsteller würde sich schämen, auch nur ein Ammenmärchen so zu behandeln, wie ihr das größte Drama der Geschichte behandelt habt!„
Ja, die Gefahr ist groß, dass man Dinge für selbstverständlich nicht. Die Gefahr ist groß, dass wir verlernen zu staunen und nicht mehr wie die Kinder mit offenen Mündern und großen Augen dazustehen und dieses größte Ereignis aller Zeiten bewundern.
Als ich im letzten Jahr in den USA studierte, durfte ich eine Gemeinde besuchen, in der jeden Sonntag das nizänische Glaubensbekenntnis gebetet und mit dem ganzen Körper mitgelebt wurde. Es gab verschiedene Stellen, an denen man den Kopf neigte, das Zeichen des Kreuzes machte oder sich verbeugte. Aber am eindrücklichsten fand ich die Stelle des Glaubensbekenntnis, an der es hieß „Und Mensch geworden“.
An dieser Stelle kniete der Pastor und die Gemeinde gemeinsam nieder und dachte noch einen Moment darüber nach, was sie da eigentlich gerade gesagt hatten. Das hat mich schon beeindruckt und ich war umso erstaunter, als ich erfuhr, dass das keine us-amerikanische Tradition sei. Es war in Deutschland zumindest zur Zeit der Reformation Gang und Gäbe. Luther schreibt einmal in einer Predigt über diese Tradition mit den folgenden Worten:
„Man liest, dass es sich einmal begeben hat, dass einer gestanden hat, ein übler Rüpel und Grobian, als man in der Kirche diese Wort „Und Mensch geworden“ gesungen hat. Er zog weder seinen Hut, noch beugte er seine Knie, noch erzeigte er Christus irgendeine Ehre, sondern stand da wie ein Stock. Als nun die ganze Menge des Volkes niederkniete und andächtig betete, während man diese Worte beim Glaubensbekenntnis sang, da sei der Teufel zu ihm getreten und habe ihm eine Maulschelle verpasst, dass ihm Hören und Sehen verging, hat ihm geflucht und gesagt: Dass dich das höllische Feuer verbrenne, du grober Esel. Wäre Gott meiner Natur, also ein Engel, geworden, wie ich einer war, und man sänge „Und ein Engel geworden“, ich wollte nicht allein meine Knie, sondern meinen ganzen Leib zur Erde beugen, ja, ich wollte zehn Ellen tief in die Erde kriechen. Und du heilloser Mensch stehest da wie ein Stock oder Stein und hörest, dass Gott nicht ein Engel, sondern Mensch geworden ist und dir gleich, und du stehst allda und ragst wie ein Scheit Holz.“
Was muss das für ein epischer Moment sein. Man bekennt als Christenheit, was uns vereint, den Glauben, den wir untereinander haben und wenn es darum geht, dass Gott selbst ein Mensch geworden ist, kniet die ganze Gemeinde nieder und lässt die Worte nachklingen. Sie verhallen im Gebäude und schallen herauf zum Himmel, zu Gott dem alle Ehre und Lobpreis sei.
Wir dürfen nicht vergessen, wem wir danken und wem wir dienen. Wir dürfen nicht vergessen, wer sich da auf den Weg zu uns gemacht hat und seine göttliche Gestalt abgelegt hat, um sich zu erniedrigen und in Knechtsgestalt auf die Erde zu kommen, wie es im Philipperbrief heißt. Möge diese Adventszeit als Besinnungszeit dafür dienen und auch das Lied, das ich euch ans Herzen legen möchte.
Ein Beitrag von Noah Müller, Theologiestudent in Oberursel